zum Inhalt springen

Teilleistungsstörung

Erfahrungsbericht von Johannes (Student der Uni Köln)

Mein Name ist Johannes, ich studiere an der Universität zu Köln.

Meine Behinderung ist mir äußerlich nicht anzusehen, erst, wenn ich schreibe oder vorlese macht sie sich bemerkbar und ich gerate ins Stocken. Wenn ich Nachfragen stellen muss, wie man ein Wort schreibt, wenn ich gefragt werde, was für ein Wort in meinen Notizen steht, weil es falsch geschrieben ist, wenn ich innehalten muss, um zu überlegen, wie man das Wort ausspricht, wenn ich Andere darum bitten muss über meine Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung zu schauen, dann merkt man, dass ich Schwierigkeiten habe. Ich habe nämlich eine Lese-Rechtschreibstörung / Legasthenie / Dyslexie. Also eine Beeinträchtigung meiner Lese- und Rechtschreibkompetenzen.

vergrößern: Teilleistungsstörung
Bild: antoniodiaz/shutterstock.com

Für mich kommt es im Studienalltag zu Schwierigkeiten, wenn ich schriftliche Leistungen in kurzer Zeit anfertigen muss. Ich brauche länger als Menschen ohne eine solche Beeinträchtigung und bei Klausuren wäre für mich ein Einzelraum von Vorteil, denn wenn meine Mitstudierenden fertig sind bzw. ihre Bearbeitungszeit um ist, dann stehen sie auf und verlassen den Raum, stellen vielleicht noch Nachfragen, und stören dabei meine Konzentration für die Zeit, die mir noch zusteht. Beim Lesen von vielen Texten ist mir sehr geholfen, wenn ich barrierefreie Dokumente bekomme, also eingescannte Dokumente, die die Buchstaben als solche erkennen, sodass ich mir eingescannte PDF-Bild-Dateien vorlesen lassen kann oder nach den wichtigsten Punkten im Dokument suchen kann.

Wünschenswert wären ein respektvoller Umgang ohne Verallgemeinerungen oder Vorurteile, dass man faul oder dumm sei. Bei Nachfragen wäre es hilfreich eine ernste Antwort zu bekommen, anstatt eines Spruches, der den Selbstwert angreift oder einen ins Lächerliche zieht. Eine lösungsorientierte Haltung ist ebenfalls hilfreich. Anstatt zu sagen: „Da müssen Sie sich drum kümmern“, wäre ein: „Wir finden da eine Lösung für Sie“ wesentlich besser. Studierende mit der Problematik haben teilweise verschiedene und unterschiedliche Nachteilsausgleiche, das müssen die Dozierenden entscheiden, ob und welchen Nachteilsausgleich sie für angemessen halten. So etwas liegt nicht in meinem Ermessensspielraum.

Ungewöhnlich bei mir ist, dass es mir leichter fällt englische Texte zu verstehen und zu schreiben. In manchen Fächern durfte ich englische Texte verfassen und abgeben und wurde dann auch danach benotet. Dies hat mir bei manchen Prüfungen geholfen und mir eine Menge Zeit gespart, da ich sonst meist länger an deutschen Texten sitze.

Mit jeder Beeinträchtigung gehen aber auch gewisse Kompetenzen einher. Zum Beispiel bin ich sehr kreativ und kann meine kreativen Impulse gut in Gruppenarbeiten und bei Projekten einbringen. Auch kommunikative Aspekte fallen mir leicht, wie das Erstellen von Präsentationen und präsentieren von Informationen, weshalb auch mündliche Prüfungen für mich eine gute Alternative darstellen, um Prüfungsleistungen zu erbringen.

Mittlerweile kann ich gut mit meiner Behinderung umgehen. Ich kenne meine Stärken und Schwächen und plane im Voraus mehr Zeit für gewisse Aufgaben ein. Manchmal ist es etwas unangenehm, dies zu kommunizieren und mit offenen Karten zu spielen, aber nur so können Menschen voneinander lernen und lernen einander zu verstehen. Umgekehrt kann ich mit meinen Stärken aber auch überzeugen und auch Kompetenzen mit einbringen, sowohl auf der Arbeit, als auch in der Universität.

An der Universität zu Köln studiere ich gerne, weil es hier ein Hilfsprojekt gibt, L-R-S, Lesen-Rechtschreiben-Studieren, wo speziell Studierenden mit Teilleistungsstörungen, wie zum Beispiel der Legasthenie, geholfen wird und es auch Dozierende gibt, die sehr engagiert sind, ihren Unterricht inklusiv zu gestalten.

Mittlerweile habe ich nach zweifachem Abbruch eines Studiums ein Studium beendet, da ich über Fördermöglichkeiten und Unterstützung aufgeklärt wurde und somit endlich mein Studium meistern konnte, ohne an meinen Kompetenzen zweifeln zu müssen.

In Zahlen...
In die Gruppe der Studierenden, die aufgrund einer Teilleistungsstörung im Studium eingeschränkt sind (4% der in der best2-Studie insgesamt in Deutschland befragten Studierenden (n = 20.897), fallen überwiegend Personen mit Legasthenie, Dyslexie oder Dyskalkulie (72%). Einen geringen Anteil machen Studierende mit AD(H)S aus (27%). Allerdings wirkt sich AD(H)S für die betreffenden Studierenden stärker auf das Studium aus  als für jene mit Legasthenie, Dyslexie oder Dyskalkulie.

Die Sonderauswertung der Universität zu Köln zur best2-Studiespricht von 4,3% der Befragten (n = 952 für die UzK) für die sich eine Teilleistungsstörung am stärksten auf das Studium auswirkt (NRW = 3,6% mit n = 5.436).

zum Seitenanfang